Der East Side Access bindet in New York eine seit Ewigkeiten nutzlos auf dem Grund des East River liegende Tunnelstrecke an das bestehende Nahverkehrsnetz an und schließt dabei zu horrenden Kosten eine über hundert Jahre klaffende Lücke
Seit über zehn Jahren bewerkstelligt in New York die enorme Zahl von bis zu 2200 Tief- und Tunnelbauern, Gleisbauern, Starkstromtechnikern und anderen Spezialisten die Realisierung eines der aufwändigsten Infrastrukturprojekte, das die Stadt jemals gesehen hat. Dennoch bekommen die New Yorker selbst davon kaum etwas mit, denn die gefährliche Arbeit findet nahezu ausschließlich im Untergrund statt. Es geht um die Fertigstellung des sogenannten „East Side Access“, der Bau einer neuen Untergrundbahnstrecke zum altehrwürdigen Bahnhof Grand Central, die den tagtäglichen Verkehrsinfarkt im New Yorker Großraum lindern soll. Was hat es mit diesem Bahnbau auf sich? Verständlich wird das nur, wenn man kurz den Blick weitet und einen größeren Abschnitt der Ostküste im Umfeld New Yorks in das Bild einbezieht.
Die Verkehrssituation
Washington, Baltimore, Philadelphia, New York, Boston: Auf einer Strecke von kaum mehr als 700 Kilometern folgt entlang der Ostküste der USA auf einer nahezu mit dem Lineal gezogenen Achse nämlich eine Metropole auf die andere. Weit über 40 Millionen Einwohner konzentrieren sich auf diesen schmalen Streifen.
Kein Wunder, dass der sogenannte Northeast Corridor (NEC) von Washington nach Boston längst zur wichtigsten Verkehrsschlagader der Vereinigten Staaten wurde, auf der die Amerikaner – eigentlich untypisch für diese Nation – Bahn fahren. Ein Großteil der seit 2007 stark steigenden Zahl von jährlich beinahe 40 Millionen Fahrgästen der Amtrak entfällt auf diese Bahnverbindung. Allein das ist für die Strecke eine Herausforderung. Das übelste Nadelöhr ist allerdings New York, die mit Abstand größte Metropole der Ostküste. Verkehren sonst die Züge auf diesem Korridor, insbesondere im Umfeld der Ballungsräume, zumeist auf vier Gleisen, müssen sich die von Washington kommenden Züge kurz vor New York mit Erreichen der Stadt Hoboken/New Jersey auf nur zwei Gleisen unter dem Hudson durch zwei Tunnelröhren zwängen, um auf Manhattan sogleich Penn Station zu erreichen. Von hier geht die Fahrt unter der East Side von Manhattan und dem East River hindurch zunächst in den Stadtteil Queens, von wo die Weiterfahrt in nordwestlicher Richtung in die Bronx und dann schließlich wieder nordostwärts weiter nach New Haven führt.
Genau dieser unter dem East River hindurchführende Tunnel ist von allen Problemen das größte. Denn diese zweigleisige Röhre muss nicht alleine den Fernverkehr der Amtrak bewältigen, sondern zugleich ein weiteres Schwergewicht schultern: den Pendlerverkehr der Long Island Rail Road. Auf dieser 190 Kilometer langen Insel wohnen, ohne die Einwohner der im Westen liegenden New Yorker Stadtteile mitzuzählen, um die 8 Millionen Menschen, die sich, sofern berufstätig, zu einem Großteil nach New York orientieren. Gut und gerne 435.000 Pendler fahren auf dieser Linie daher täglich nach New York und davon die überwiegende Zahl in das quirlige Geschäftszentrum Manhattan.
So kommt es insbesondere in den Stoßzeiten regelmäßig dazu, dass die in dichter Folge nach Penn Station einfahrenden LIRR-Züge die Strecke blockieren, was auf der anderen Seite des Hudson in Hoboken zwangsläufig zur Stauung des Fernzugverkehrs der Amtrak führt. Noch unerträglicher wird die Situation dadurch, dass die von Long Island kommenden Pendler bis zur im Westen Manhattans gelegenen Penn Station durchfahren müssen, denn eine andere Haltestelle gibt es hier nicht. 1910 bei Inbetriebnahme der Tunnelstrecken bei einem Bruchteil des heutigen Passagieraufkommens als Meilenstein gefeiert, zeichnete sich daher schon in den fünfziger Jahren ab, dass man mit dieser Lösung langfristig auf den Verkehrsinfarkt zusteuern würde.
63rd Street Tunnel
Zunächst jedoch musste die Metropole damals mit einem anderen, sehr viel drängenderen Problem fertig werden. Eine nach der anderen für den Nahverkehr in der Stadt unverzichtbaren privaten Bahnlinien schlingerte in Richtung Insolvenz und musste am Ende von öffentlicher Hand übernommen werden. Dazu war 1965 die Auffanggesellschaft „New York City Transit Authority“ (NYCTA) gegründet worden, die im Januar 1966 als letzte der für New York relevanten Linien schließlich auch die abgewirtschaftete Long Island Rail Road (LIRR) übernahm. Mit diesem Schritt setzten erstmals konkrete Überlegungen ein, wie man das Netz dieser wichtigen Pendlerlinie besser an die Verkehrsinfrastruktur der Stadt anbinden könnte.
Schnell reanimierten die Planer der Transit Authority dabei die bereits vor mehr als fünfzehn Jahren erstmals aufgekommene Idee einer weiteren auf Höhe von Roosevelt Island unter dem East River durchzuführenden Tunnelverbindung. So würde man die Unterwasserstrecke des Tunnels verkürzen und die LIRR an das auf Höhe der 42. Straße gelegene Grand Central Terminal anbinden können.
Verschiedene Alternativen standen hierbei zur Diskussion. Die in Erwägung gezogenen Varianten reichten von einer Unterquerung der Wasserstraße auf Höhe der 79. bis hin zur 59. Straße. Aufgrund der miteinander konkurrierenden Streckenverläufe der wenige Jahre zuvor noch unabhängig voneinander agierenden Bahnlinien ließen diese Pläne die konkrete Anbindung an bestehende Linien dies- und jenseits des East River allerdings weitestgehend außen vor. Daran hatte sich auch nichts geändert, als man schließlich eine Verbindung von Manhattan nach Queens auf Höhe der 63. Straße ins Auge fasste. So machte bei Bürgerprotesten das Schlagwort eines Tunnels „from nowhere to nowhere“ die Runde.
Allmählich begannen daraufhin bei der inzwischen in Metropolitan Transportation Authority (MTA) umbenannten Gesellschaft die Bemühungen um eine nachträgliche Konkretisierung der Pläne. Zunächst wurde ein drittes Gleis in die Planungen einbezogen, Monate später waren es bereits vier Gleisstränge, auf denen die Züge unter dem East River hindurchfahren sollten. Zeitgleich zu diesen Detailplanungen hatte die MTA gemeinsam mit der Stadtverwaltung New Yorks begonnen, ein gewaltiges Investitionsprogramm auf die Beine zu stellen, um die marode Nahverkehrsinfrastruktur grundsätzlich zu modernisieren. Mit dem 1968 vorgestellten „Program for Action“ stand auf einmal die damals enorme Summe von 2,5 Milliarden Dollar für die Anschaffung neuer Züge, die Verbesserung der Sicherheit und die Zusammenbindung der Netze der früheren Interborough Rapid Transit Company (IRT), der Brooklyn Rapid Transit Corporation (BRT) und der städtischen Independent Rapid Transit Railroad (IND) zur Verfügung.
So beschloss die MTA, zunächst den Tunnelbau in Angriff zu nehmen, dessen Planungen bereits weit vorangeschritten waren. Anders als alle zuvor im kostspieligen klassischen Sprengvortrieb durch den felsigen Untergrund New Yorks getriebenen Tunnel sollte der 63rd Street Tunnel erstmals nach einem damals neu entwickelten Verfahren als Absenktunnel (engl. Immersed Tube Method) in die weit über zehn Meter mächtigen Schlamm- und Kiesablagerungen des East River eingeschwommen werden. Nur der Roosevelt Island querende Abschnitt sollte in konventioneller Bauweise entstehen.
Bereits im November 1969 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Während in der Folge zu beiden Seiten des East River, geschützt durch einen zuvor fertiggestellten Kofferdamm, in offener Bauweise tiefe Schächte ausgehoben wurden, um später die Tunnelenden mit dem Untergrund von Queens und Manhattan zu verbinden, wurde der Untergrund des dazwischenliegenden East River bis fast auf den unter der Schlammschicht folgenden Felsuntergrund ausgebaggert.
Zugleich entstanden in Port Deposit in Maryland in klassischer Schiffsbauweise vier 114 Meter lange, doppelstöckige Tunnelsegmente aus Stahl, deren Enden einstweilen verschlossen waren, um sie schwimmend die knapp 1000 Kilometer lange Strecke durch die Chesapeake Bay und dann entlang der Ostküste nach New York zu schleppen. Im Mai 1971 erreichte das erste Stahlsegment unter großer öffentlicher Anteilnahme New York, um dann Ende August in die Senke im Untergrund des East River abzutauchen. Die letzte Sektion des Absenktunnels versank schließlich im März des Folgejahres in den Fluten der Wasserstraße. Im Oktober 1972 erfolgte der letzte Tunneldurchstich von Roosevelt Island aus. Damit war der 960 Meter lange Tunnelabschnitt unter dem East River fertiggestellt. Kosten von etwa 341 Millionen Dollar schlugen für diesen anspruchsvollsten Abschnitt der im Ganzen etwa 9,8 Kilometer langen Neubaustrecke zu Buche.
Tunnel from nowhere to nowhere
Inzwischen hatte die Metropolitan Transportation Authority (MTA) auf Manhattan damit begonnen, die Röhren für den Anschluss der oberen Ebene des 63rd Street Tunnels an die Linien der 6. und 7. Avenue zunächst in westlicher Richtung und dann nach Süden voranzutreiben. Konnte der Tunnelvortrieb aufgrund der darüberliegenden dichten Bebauung ohnehin nur unter Tage erfolgen, entschloss man sich, dieses Verfahren auch für die Passage unterhalb des dort am südöstlichen Zipfel des Central Park gelegenen Central Park Zoo beizubehalten. Einzig die Einfädelung in die Strecke der 7th Avenue wurde im offenen Verbau fertiggestellt. Relativ zügig konnte die MTA bereits 1973, im Jahr der Fertigstellung der Twin Towers des World Trade Centers, die Fertigstellung auch dieser Tunnelröhren bekannt geben. Während der anschließende Ausbau dieses Abschnitts zunächst planmäßig voranschritt, braute sich infolge der Ölkrise 1973 und der fortgesetzten Abwanderung der städtischen Bevölkerung in die Vororte in den Kassen der Stadt unterdessen großes Unheil zusammen.
Im Februar 1975 war die Stadtverwaltung nicht mehr in der Lage, ihre laufenden Kosten zu bestreiten. Die Hängepartie setzte sich fort bis in den Herbst. Schließlich übernahm das staatliche Emergency Financial Control Board (EFCB) die städtischen Finanzen, strich zahlreiche kommunale Dienstleistungen, reduzierte den städtischen Personalbestand, fror Gehälter ein, kürzte Sozialausgaben und erhöhte die Bus- und U-Bahn-Tarife. Die Fortführung der oberen Tunnelebene durch Queens in südöstlicher Richtung wurde bis mindestens 1981 ausgesetzt, die Anbindung der LIRR über die untere Tunnelebene gar auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Einzig der weit vorangeschrittene Ausbau der westlichen Anbindung der oberen Tunnelebene auf Manhattan wurde bis 1976 fertiggestellt. Sechs Jahre nach Baubeginn schienen die Kritiker von einst recht behalten zu haben. Das Projekt des 63rd Street Tunnels war bei einem nunmehr 2,6 Kilometer langen „tunnel to nowhere“ stecken geblieben.
Erst 1983 brachte die sogenannte „Queens Transit Alternatives Study“, die verschiedene Varianten eines Weiterbaus zur Diskussion stellte, wieder Bewegung in die Sache. Doch nachdem sich die MTA im nächsten Jahr für die günstigste der Varianten entschieden hatte, stellten ihre daraufhin losgeschickten Inspektoren fest, dass der Tunnel unter dem East River 1,8 Meter hoch mit Wasser geflutet war. Statt eines Weiterbaus musste zunächst eine Instandsetzung des Tunnels erfolgen. 1987 konnte dann endlich auch in Queens die Verlängerung des Tunnels beginnen. Allerdings beschränkte man sich dabei auf das Allernötigste. Bis 1989 entstand lediglich eine sich über kaum mehr als 700 Meter erstreckende Verlängerung bis zu einer an der Ecke 21. Straße/41st Avenue im Untergrund von Queens neu errichteten Endstation. Im Oktober 1989 konnte schließlich von Manhattan aus der Zugverkehr auf der Neubaustrecke aufgenommen werden. Abgesehen von der Endstation wurden dabei allerdings nur zwei neue Haltestellen, Lexington Avenue und Roosevelt Island, bedient. Die Betriebsaufnahme des geplanten östlichen Anschlusses an die alte Queens-Boulevard-Linie der IND erfolgte nach der anspruchsvollen Unterquerung der Gleisanlagen des Sunnyside Yard erst Ende 2001.
Eine endlose Geschichte
Ende gut? Keineswegs! Denn die von einem Beinahe-Bankrott New Yorks, diversen Baustopps und anderen Rückschlägen gespickte Geschichte der Strecke, über die heute die Züge der F-Linie rattern, erzählt nur vom Fortschritt einer Hälfte des ursprünglich begonnenen Projekts. Die untere Ebene des Tunnels unter dem East River Tunnel nämlich war zu diesem Zeitpunkt auch nach nahezu 30 Jahren noch immer ein Tunnel „from nowhere to nowhere“.
30 Jahre nach Gründung der MTA hatte sich die Situation des Nahverkehrs allerdings grundlegend geändert. Die Long Island Rail Road (LIRR) hatte inzwischen den Ruf der meistfrequentierten Pendlerlinie in den USA. Zählungen aus dem Jahr 1999 verzeichneten wochentags durchschnittlich 269.400 Fahrgäste. Demgegenüber stand die enorme Zahl von rund 1,77 Millionen Angestelltenverhältnissen in New York (1998), unter ihnen eine steigende Zahl von Bürojobs, die vor allem in East Midtown entstanden waren. Statt einer Steigerung der Attraktivität der Linie war eine bessere Anbindung nunmehr vor allem geboten, um der Massen der Pendler Herr zu werden. Nicht nur, dass die Penn Station, Endstation der LIRR-Züge und zugleich einzige Station der Linie auf Manhattan, seit Jahren an ihrer Kapazitätsgrenze arbeitete. Auch das Passagier- und Frachtaufkommen durch den von der LIRR benutzten Tunnel unter dem East River, der zugleich auch von Zügen der Amtrak benutzt wird, musste dringend reduziert werden.
Ergo besann sich die MTA kurz vor der Jahrtausendwende, noch während in Queens an der Fertigstellung der Anbindung der oberen Tunnelhäfte gearbeitet wurde, des 1975 auf unbestimmte Zeit verschobenen Plans einer Streckenführung der LIRR durch die untere Ebene des 63rd Street Tunnel und verpasste der Verwirklichung dieser zweiten Etappe des ursprünglichen Plans die eingängige Bezeichnung „East Side Access“. War in Queens bei den Arbeiten an der Fortführung der oberen Ebene des Tunnels die untere Ebene bis kurz vor die Gleisanlagen des Sunnyside Yard gleich mitgebaut worden, gab es allerdings ansonsten keinerlei Vorleistungen, an die man anknüpfen konnte.
Insbesondere auf Manhattan, wo die Linie von der 63. Straße bis nach Grand Central führen sollte, würde sich die Streckenführung aufgrund zahlreicher kreuzender Subwaylinien äußerst anspruchsvoll gestalten. Von mehr oder weniger zentraler Bedeutung war dabei zunächst die Frage, wie die aus dem Osten New Yorks kommenden und nach Erreichen von Manhattan in südliche Richtung einschwenkenden Züge den altehrwürdigen Bahnhof überhaupt anfahren sollten. Zwei grundverschiedene Ansätze wurden dabei diskutiert: Entweder man würde die Neubaustrecke an die untere, den Zügen der Metro-North Railroad vorbehaltene Ebene des Bahnhofs anschließen oder aber man würde deutlich unterhalb dieser Ebene in mehr als 30 Metern Tiefe vor dem Bahnhof eine eigene Station für die Züge der LIRR schaffen, die über eine Zwischenebene sowohl von Grand Central als auch von weiteren nördlich gelegenen Eingängen her zugänglich sein würde.
Es zeigte sich recht schnell, dass erstere Variante trotz der Nutzung vorhandener Infrastruktur kostspieliger ausfallen würde. Daraufhin gab man einer Neubaulösung den Vorzug. Platz für diese Station und einen folgenden Abstellbahnhof würden zwei gigantische in das Schiefergestein im New Yorker Untergrund gesprengte Kavernen schaffen, in die die Züge auf zwei Ebenen einfahren sollten. Zunächst aber mussten die Tunnelzufahrten erstellt werden. Für deren Bau war trotz der im Grunde lächerlich kurzen Strecke von kaum mehr als zwei Kilometern Länge erstmals in der Baugeschichte New Yorks von vorneherein der Einsatz von Tunnelbohrmaschinen vorgesehen. Obwohl hierfür vergleichsweise aufwändige Vorarbeiten nötig waren, sprach für die Wahl dieses Verfahrens ein gewichtiges Argument: Ihre Arbeit im Untergrund dieser äußerst dicht bebauten Metropole würde ohne Sprengungen auskommen, denen immer ein gewisses Restrisiko zu eigen ist. Überdies versprach der unmittelbar dem Schneidrad folgende Verbau der Tunnelröhre mit Betonfertigteilen ein Höchstmaß an Sicherheit.
Baubeginn auf Manhattan
Der erste der beiden 600-Tonnen-Giganten traf im Mai 2007 in New York ein. Der Zugang in den Untergrund Manhattans erfolgte durch einen an der Ecke Second Avenue/63. Straße in die Tiefe getriebenen Schacht. Dort startete die Maschine im September 2007 und erreichte im Juli des Folgejahres Grand Central. Die zweite Maschine trat im Dezember 2007 ihre kurze Reise Richtung Süden an und erreichte ihr Ziel auf Höhe der 37. Straße Ende September 2008. Hier war allerdings keine Möglichkeit gegeben, die beiden riesigen Maschinen wieder an die Oberfläche zu befördern. Daher stand bereits vor der Lieferung fest, dass sie 30 Meter unter der Oberfläche im felsigen Untergrund Manhattans verbleiben würden.
Interessant ist auch, wie mit dem bei diesem Vortriebsverfahren in großen Mengen anfallenden Abraum verfahren wurde. Dieser wurde zunächst wie üblich über Förderbänder hinter der Maschine hinauf zur 63. Straße transportiert und dort auf eine provisorische Schmalspurbahn umgeschlagen, die auf der unteren Ebene des 63rd Street Tunnels verkehrte. Auf diese Weise wurde der aus dem Untergrund Manhattans gelöste Fels letztlich zu den Gleisanlagen des Sunnyside Yard gebracht, wo er ohne Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens abtransportiert werden konnte. Während des Tunnelvortriebs überwachte überdies ein ganzes Team von Geotechnikern des eigens dazu beauftragten Spezialisten Geocomp mit einer ganzen Batterie von Seismometern und Bewegungssensoren zahlreiche vom Streckenverlauf tangierte Gebäude auf der Insel auf etwaige von den Arbeiten im Untergrund verursachte Setzungen, Drift- oder Kippbewegungen.
Doch nicht nur auf Manhattan hatte der abrupte Baustopp von 1975 unerledigte Aufgaben hinterlassen. Auch in Queens stand noch der Vortrieb eines Tunnels auf der Agenda. Hier galt es, mit insgesamt vier Röhren den Northern Boulevard sowie anschließend die ausgedehnten Gleisanlagen des Sunnyside Yards zu unterfahren. Eine durchaus delikate Aufgabe für die beiden dazu herangezogenen Herrenknecht-Mixschild-Tunnelbohrmaschinen S-558 und S-559, die hier durch schwierige Bodenverhältnisse hindurch sowohl die Fundamente der aufgeständerten Astoria Line als auch die im Untergrund nur wenige Meter darüber kreuzende Queens-Boulevard-Linie unterfahren mussten. Zwischen April 2011 und Juli 2012 konnte auch diese Aufgabe gemeistert werden.
Seither laufen unter Tage die umfangreichen Ausbauarbeiten. Angefangen bei den im Sprengvortrieb erstellten Kavernen, die noch einer Betonauskleidung und des Einzugs zweier tragfähiger Zwischenebenen bedurften, über den Bau von Bahnsteigen, der Anlage von Notfall- und Evakuierungsgängen bis hin zum Bau dreier Ventilationsgebäude gab und gibt es noch eine Menge zu tun. 2017 wurden die ersten Gleise für die LIRR-Züge in den Tunnel gelegt. Darauf folgend stand bzw. steht die Installation elektrischer Anlagen sowie von Signal- und Kommunikationssystemen an. Derzeitiges, allerdings schon mehrfach verschobenes Zeitziel der Aufnahme des regulären Betriebs ist Ende 2022/Anfang 2023. Damit kann man resümieren, dass sich die vollständige Fertigstellung des Projekts vom Beginn der ersten Arbeiten am 63rd Street Tunnel bis zur ersten regulären Zugfahrt über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren erstreckt hat.
Der Schlusspunkt
Bauverzögerungen allerdings, das wissen wir hinreichend genau auch von zahlreichen mehr oder weniger völlig aus dem Ruder gelaufenen Beispielen hierzulande, gehen immer zulasten der kalkulierten Kosten. Mussten für die in den frühen Siebzigern fertiggestellten Bauabschnitte 341 Millionen Dollar veranschlagt werden, ging man bereits 1999 im Zuge der ersten Planungen für den East Side Access, die Fertigstellung der Anbindung der LIRR an Grand Central durch die untere Ebene des 63rd Street Tunnels, von Kosten in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar aus. Bis 2003 hatte sich diese Summe bereits auf 5,3 Milliarden Dollar gesteigert, 2004 waren es schon 6,3 Milliarden Dollar, 2008 diskutierte man über 7,2 Milliarden Dollar, 2012 über 8,4 Milliarden Dollar zwei Jahre später schwankten die Schätzungen zwischen 9,7 und 10,8 Milliarden Dollar. Die jüngste Prognose von 2018 beziffert die Gesamtsumme vorsichtig auf mindestens 11,1 Milliarden Dollar!
Auch vom ursprünglich geplanten Eröffnungstermin der Verbindung ist man inzwischen weit entfernt. Ursprünglich sollte der erste Zug schon 2009 durch den 63rd Street Tunnel nach Grand Central fahren. Die Gründe für die Verzögerung von beinahe 15 Jahren sind vielfältig. Angefangen von Budgetüberschreitungen über Umplanungen, Bestellungen kostspieliger Komponenten mit falschen Maßen bis hin zu unzureichender Kooperation der betroffenen Nahverkehrsunternehmen (Amtrak + MTA) reichen die Ursachen für viele nötig gewordene Baustopps. Weiter in die Höhe getrieben wurden die Ausgaben durch die von politischer Seite mit Unterstützung der Gewerkschaften durchgesetzte unnötig große Zahl von Beschäftigten sowie Fälle krassen Missmanagements bis hin zur Korruption. All das sowie natürlich die äußerst schwierigen Verhältnisse im Untergrund der Metropole haben dazu beigetragen, dass der East Side Access mit Kosten von 2.175.000.000 Dollar pro gebautem Kilometer als die bislang teuerste Bahnverbindung weltweit in die Geschichte eingehen wird.